Wenn Wahrheit aus dir spricht
Es war der Frühling 1985. Ich war noch bei der Armee und ich freute mich schon seit langem auf meinen Kurzurlaub, den ich über das Wochenende mit meiner Freundin verbringen wollte. Sie hieß Melany, und es war irgendwie eine große Liebe.
Wir trafen uns in der Schönhauser Alle, gar nicht weit von der Berliner Mauer entfernt, und gingen etwas essen, dazu einen Kaffee und dann noch ein Eis. Es war ein wunderschöner Tag, die Sonne schien und es wehte ein erfrischender Wind aus westlichen Richtungen, wie es der Wetterbericht ausgedrückt hätte. Wir unterhielten uns leise, die Seelen im Gespräch ineinander versunken, so dass es im Restaurant für einige Augenblicke ganz still um uns wurde, weil die Menschen uns beobachteten, ja bewunderten und Kinder über uns tuschelten und kicherten. Es ging wohl etwas sehr Positives von uns aus.
Dann sagte ich, der ich ja Soldat war und den Sozialismus vor dem faulenden und parasitären Kapitalismus zu verteidigen hatte, wie aus dem Nichts: „Du, Melany, es ist so ein schönes Wetter da draußen… es ist ja eine Sonne, es ist eine Luft und die da drüben im Westen haben ja auch dieselbe Sonne und die dieselbe Luft, es ist irgendwie alles eins und ich denke, dass es irgendwann auch wieder alles eins sein wird, die Stadt Berlin und Deutschland…“ Gespannt hoffte ich nun auf eine positive Rückmeldung, die die geistige Verbindung zwischen uns noch weiter verstärkt hätte.
Die Wende vor der Wende
Aber das Gegenteil war der Fall. Melanys Lippen wurden schmal, sie schaute mich wie einen Fremdling an und sagte: „Wie kommst du nur auf so ein Zeug, das ist doch völliger Blödsinn, das ist mir echt zu spinnig und du bist wohl auch nur einer von diesen Spinnern… das hat doch alles mit der Realität nichts zu tun!“
Melany stand mit einem Ruck auf und durch den Schwung stieß sie mit den Kniekehlen gegen ihren Stuhl, der gute zwei Meter geräuschvoll über das Parkett nach hinten rutschte. Stille im Saal.
Die himmlische Stimmung war vorbei, aus mir unbekannten Gründen gekippt. Ich war in eine Ecke gedrückt worden, in der sich nur Verräter und Spinner aufhielten, Menschen halt, die mit den Realitäten des Leben nicht klar kommen. Jeder Versuch, die Situation zu retten, vertiefte das Unverständnis nur weiter. Der Urlaub war jedenfalls gelaufen.
Nur wenige Monate später fiel dann die Berliner Mauer und ich denke, dass sich Melany zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr an unser Gespräch erinnerte, denn es war schon lange aus zwischen uns, die Liebe hatte sich in Studienbüchern verflüchtigt.
Neptun, der uns – astrologisch gesehen – Botschaften nicht aus dem Reich der Realität, sondern aus dem Reich der Wirklichkeit überbringt, spricht Dinge aus jenseits von Zeit und vorherrschenden Umständen, bewirkt ein kurzes Erwachen aus der Ich-Narkose.
Aber das konnte ich damals alles nicht wissen, als ich wieder zurück in der Armee auf meinem Bett lag und das enttäuschende Treffen mit Melany im Kopf immer wieder durchging. Dann klopfte es an der Tür, ein Gefreiter kommt rein mit einem Brief in der Hand und sagte: „Post für dich, von Melany!“